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Gewaltlos

6.467 Bytes hinzugefügt, 16:50, 19. Dez. 2019
===Kennst du das?===
Ich will Kontakt zu dir, traue mich aber nicht. Nur wenn ich [http://www.biologie-schule.de/aggression.php aggressiv ] werde, gelingt es mir, dir nahe zu kommen, dabei möchte ich deine Liebe.
Oft bin ich alleine, draussen, ausgegrenzt von allen, da packt mich die Wut, so dass ich dem Erstbesten eine runter haue.
Ich freue mich, wenn es anderen schlechter geht als mir. Es ist schön andere leiden zu sehen, so vergesse ich mein Leiden.
[[Datei:Agression.png|links|rahmenlos]]
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=== Allen Recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. ===
Sobald der Mensch fähig ist, etwas erstreben, erreichen oder besitzen zu wollen, d.h. sobald er aus dem Säuglingsalter herauswächst, macht er die schmerzhafte Erfahrung, dass er auch schuldig werden kann. Eigeninitiative bringt immer auch Versagen mit sich.
 
* Als Kind müssen wir lernen, mit Schuld und Schuldgefühlen umgehen zu können und sowohl die Möglichkeiten, als auch die Grenzen unseres eigenen Tuns zu erkennen.
 
* Als Mensch müssen wir lernen, dass wir nie ohne Schuld sein können. Leben bedeutet schuldig werden. Als Mensch können wir aber auch erfahren, dass uns die Schuld auch genommen wird. Schuld wird durch Vergebung aufgehoben.
* Vergebung erfahren wir durch Gott: "Meine Kinder, ich schreibe euch, um euch daran zu erinnern, dass eure Schuld vergeben ist. Das verbürgt der Name Jesus Christus. (1. Johannesbrief 2,12)
* Vergebung erfahren wir auch durch unsere Mitmenschen und - das wird häufig vergessen - auch durch uns selber!
 
[[Datei:Power.png|links|rahmenlos]]
Aggression, aggressiv hat einen negativen Anstrich. Damit wird zunächst an rohe Gewalt gegen andere gedacht. Aggression ist aber auch die Kraft, die wir zum Überleben benötigen. Sie ist etwas Natürliches, etwas, das alle Menschen immer wieder in sich spüren.
 
Im Englischen ist Aggression auch im Wort (Power enthalten. Power brauchen wir immer wieder. Wo wir unsere Aggression im geschützten Rahmen ausleben können, erfahren wir auch Befreiung: z.B. bei einem packenden Fussballspiel, bei einem fairen Wettkampf usw.
[[Datei:1. Johannesbrief 2,12.png|gerahmt]]
Weil Gewalt zwischen Knaben so offensichtlich ist, wird oft vergessen, dass auch Mädchen Gewalt ausüben. Aggressionen und destruktive Verhaltensweisen von Mädchen richten sich häufig gegen sich selbst. Es ist nicht nur die offensichtliche Gewalt, die Menschen schädigen. Es gibt auch viel subtilere Mittel, um Menschen zu schädigen.
 
 
=== Er zeigte keine Reue ===
Aus dem Polizeibericht der Tageszeitung
 
Gestern ist es der Polizei gelungen, einen der jugendlichen Autoknacker und Schläger dingfest zu machen, die seit Monaten in unserer Stadt ihr Unwesen treiben. Von der besonderen Gefährlichkeit des Burschen zeugt es, dass er bei seiner ersten Vernehmung keinerlei Reue über seine Straftaten zeigte. Es ist an der Zeit, dass hier endlich einmal hart und gnadenlos durchgegriffen wird.
 
Nach seiner Verurteilung wurde der jugendliche Straftäter einer Bewährungshelferin zur Betreuung übergeben. Sie berichtet über diesen Fall:
 
Nico war von der ersten Klasse an der Sündenbock für seine Mitschüler. Sie hatten es schnell heraus, dass man alle Streiche auf ihn schieben konnte. Wenn immer man einen Schuldigen brauchte, so hiess es, der Nico ist es gewesen; und die Lehrer glaubten es, Widerspruch half nichts. Sogar der Vater sagte immer: Wenn die andern es alle sagen, wird schon was Wahres dran sein - und es setzte Strafen und Prügel. In der Schule wie zu Hause ... Im Laufe der Zeit fügte sich Nico in sein Schicksal. Er wehrte sich nicht mehr gegen die Strafen, die er für andere hinnehmen musste. Die Welt war eben ungerecht, niemand mochte ihn, und die Stärkeren und Raffinierteren hatten Macht über die Schwächeren. In seinen Träumen aber war er der starke Mann. Eines Tages würde er es ihnen schon zeigen, allen würde er es zeigen! Wie - das wusste er noch nicht.
 
Als Nico aus der Schule kam, ging er in die Schlosserlehre. Er lernte einen anderen Lehrling kennen, der von seiner Sündenbockrolle nichts wusste. Von ihm fühlte er sich akzeptiert. Voll Bewunderung hing er an dem Älteren, und dieser war geschmeichelt von der Anhänglichkeit des jüngeren. Sie waren viel zusammen, auch nach Feierabend. Und da zeigte der Freund dem Nico, wie man parkende Autos knacken konnte. Nico fühlte zum ersten Mal etwas wie Machtgefühl, wenn sich die blechernen Käfige durch seine Geschicklichkeit öffneten. Es blieb nicht aus, dass die beiden bei ihrem nächtlichen Tun von einem Passanten überrascht wurden. Mehr aus einem Reflex heraus als bewusst und absichtlich, schlug Nico zu. Er traf den Gegner so, dass dieser zusammenbrach und bewusstlos liegenblieb.
 
Und nun machte Nico eine neue Entdeckung: die Tat löste bei ihm weder Angst noch Reue aus, im Gegenteil, ein einziges Triumphgefühl erfüllte ihn: Jetzt war er der Stärkere, jetzt endlich konnte er es ihnen zeigen.
 
Es blieb nicht bei dem einen Mal. Nico geriet geradezu in einen Rauschzustand, wenn er es ihnen mal wieder zeigen konnte. Dass er nun tatsächlich die Rolle spielte, die er früher von den andern zugewiesen bekommen hatte, merkte er nicht.
 
Schliesslich fiel er der Polizei in die Hände! *
 
Der Richter war verständnisvoll. Er machte sich das Urteil nicht leicht. Er wusste, dass das Gefängnis kein Ort war, um jugendliche Straftäter zu bessern. Sein Spruch lautete: Bewährung mit der Auflage, zwei Jahre lang jedes Wochenende Dienst im Krankenhaus zu tun. Die Konfrontation mit leidenden Menschen sollte ihn zum Nachdenken bringen über das Leid, das er durch seine Gewalttaten andern Menschen zugefügt hatte.
[[Datei:Tipp zu "Er zeigte keine Reue".png|gerahmt]]
Im Krankenhaus kam er mit den Kranken kaum in Berührung. Als Hilfskraft musste er die "Dreckarbeit" tun: Böden schrubben, Erbrochenes aufwischen, blutige Fetzen fortschaffen, Bettschüssel leeren. Er wurde kommandiert, geschubst, angeschnauzt. Er war wieder der Letzte, der Niemand, der Wehrlose. ** In dieser Situation fand ich ihn. Er galt als uneinsichtig, mürrisch, verstockt. Wir haben viel miteinander geredet. Das Urteil des Richters war zwar gut gemeint gewesen, aber genauso wenig geeignet, den Jungen zu ändern, wie eine Freiheitsstrafe. Ich bin jetzt dabei, Schritt für Schritt sein Selbstwertgefühl aufzubauen. Er ist nicht dumm, hat Freude am Lernen, wenn man seine Leistungen anerkennt. Er fühlt, dass ich es ehrlich mit ihm meine, dass ich an ihn glaube. Nach Möglichkeit arbeite ich auch mit ihm und so macht er gute Fortschritte. In zwei Jahren will er die Lehrabschlussprüfung schaffen. Eigentlich bräuchte er meine ganze Kraft. Aber ich habe
 
fast hundert von ihnen zu betreuen ...
 
 
von Lore Graf
 
 
aus: Geschichten zum Nachdenken, Chr. Kaiser
 
Verlag, München und Matthias :Grünewald-Verlag,
 
Mainz, 1977 ; vergriffen.
 
 
[[Kategorie:Gewaltprävention]]
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